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Das Doktorsgärtlein in Altdorf
bei Nürnberg

 

Gegen halb elf erreichten wir mit der S2 - von Nürnberg kommend den Bahnhof von Altdorf. Es herrschte bereits eine Bullenhitze – über 30 Grad.  Frau Hungershausen vom örtlichen Tourismusbüro und ein Mitglied des lokalen Blindenbunds erwarteten uns bereits. Wir hatten mit Frau Hungershausen eine Führung durch die Stadt und das Doktorsgärtlein mit dem Museum vereinbart. Sie schlug uns vor, zunächst zur am Marktplatz gelegenen Laurentius-Kirche zu gehen. In der Kühle des Kirchenraums wollte sie uns etwas über die Geschichte Altdorfs und seiner Universität erzählen, zu der auch das Doktorsgärtlein gehörte. Ein sehr vernünftiger Vorschlag. Denn die paar Schritte zum Ende des Bahnhofsbereichs trieben uns bereits den Schweiß aus allen Poren. Wir waren diesmal eine recht kleine Gruppe – knapp zehn Teilnehmer. Die Befürchtung, einen Hitzschlag zu erleiden, hatte doch etliche abgeschreckt.

 

Durch die historische Altdorfer Innenstadt
zur Sankt Laurentius-Kirche

Der Bahnhof liegt etwas außerhalb der Stadt. Ein breiter, mit Hecken gesäumter Sandweg führte uns zur Innenstadt. Unsere Guide machte uns auf einen Bienenstock aufmerksam, am hinteren Rand einer Wiese. Früher hatte an dieser Stelle ein Schuppen für Dampfloks gestanden. Nachdem der nicht mehr gebraucht wurde, gestaltete man die Fläche in einen Park um und baute den Bienenstock auf als Schauobjekt für Kinder.

Der Fußweg war zu Ende. Gegenüber der ersten Kreuzung stach ein repräsentatives spitzgiebeliges Haus hervor. Ein Molkereibesitzer und früherer Bürgermeister hatte es in 1835 erbaut, wie an der Fassade zu lesen war.

Durch enge Gässchen ging’s Richtung Marktplatz weiter. Wir waren den engen Gassen dankbar. Denn sie boten immer Schatten. Auf dem Weg machte uns Frau Hungershausen auf einige markante, in der Stadtgeschichte bedeutsame Bauwerke aufmerksam.

Wir erreichten den Heumarkt mit seinen schönen Fachwerkhäusern. Dachdecker waren gerade damit beschäftigt, ein Dach abzudecken. Unter Getöse warfen sie Ziegel in einen Container: rumms … rumms … rumms …Unsere Guide legte einige Dezibel zu, um stimmlich die Oberhand zu behalten. 

die pittoreske Villa eines Molkeiebesitzers und ehemaligen Bürgermeisters Fachwerkhäuser
die Villa eines Molkereibesitzers und
früheren Bürgermeisters
Gässchen mit Fachwerkhäusern
malerisce Fachwerkhäuser mit Türmchen Fachwerkhaus-Ensemble
malerische Häusergruppen in der historischen Altstadt

Die Stutzervilla gehörte dem Besitzer der Brauerei Wolfsschlucht. Sie verfügte über zwei Keller-Etagen zur Lagerung der Bierfässer. Natürlich nicht zu sehen. Aber unsere Guide wusste es.

Das grün gestrichene Haus beherbergte die Druckerei von Johann Friedrich Zobel. Er hatte sich auf den Druck von Bibeln spezialisiert – alle identifizierbar durch sein Logo. In der zweiten Fensterreihe ist das Logo auch zu sehen. Bei amazon.de sind die Bibeln nicht zu erwerben. Man muss schon Antiquariate durchstöbern.

Dann sollten wir uns um 180 Grad drehen. Da erblickten wir ein weiteres Fachwerkhaus mit grünen Fensterläden: das zweite Pfarrhaus, wo auch der Pfarrer Wilhelm Löhe gelebt und gearbeitet hat. Er hat am Ort eine diakonische Einrichtung gegründet, die später als Kinderheim weitergeführt und schließlich in dieRummelsberger Anstalten mündete.

Frau Hungershausen kannte sich auch im gesellschaftlichen Leben der alten Zeiten aus. Pfarrer Löhe – der Haushaltsführung unkundig – ließ sich zunächst von Studenten versorgen. Die Bevölkerung nahm jedoch daran Anstoß und verordnete ihm eine Haushälterin.

Eigenartig sah auch ein schmales hohes Haus aus, dessen Wände bis zum obersten Stockwerk weiß verputzt waren. Erst unterhalb des Giebels kamen die Balken der Fachwerkkonstruktion zum Vorschein. .

Durchs Hermannsgässchen gelangten wir zum Oberen Marktplatz, genau beim Elf-Uhr-Läuten, um Richtung Laurentius-Kirche abzubiegen. Doch vorher schauten wir nochmals zurück.

Ein putziges kleines Häuschen hinter dem alten Rathaus zog mein Interesse an. Es war das Rothenberger Häusle, das ehemalige Beinhaus, wie uns Frau Hungershausen informierte. Dort wurden die Knochen aus aufgelassenen Gräbern aufbewahrt. Heute ist hier ein Teil des Stadtarchivs untergebracht.

Im alten Rathaus befanden sich früher alle öffentlichen Ämter der Stadt: Hopfensiegelhalle, Fleischbank, Polizei, Feuerwehr und natürlich auch die Verwaltung. Heute beherbergt es noch das Standesamt und kulturelle Einrichtungen.

Im Notariat des Orts, an dem wir auf dem Weg zur Kirche vorbeikamen,  regiert Notar Wahr. Da kommt doch gleich Vertrauen auf.

ein fotogenes kleines Fachwerkhaus das alte Rathaus
Das Rothenberger Häusle - das alte Beinhaus das alte Rathaus

An einem der nächsten Häuser befand sich ein paar Zentimeter über dem Gehsteig ein kleiner metallener Knopf. Früher, bevor man den Marktplatz höher gelegt hatte, um ihn rollstuhlgerecht zu machen,  befand er sich in Kniehöhe. Frau Hungershausen hat dort immer ihren Hund angebunden, wenn sie einkaufen ging. Das war aber nicht seine ursprüngliche Bestimmung. Sondern es war der offizielle Messpunkt der Stadt Altdorf. Er bezeichnete die Höhe von exakt 444,4 m über dem Meeresspiegel.

Das Gepräge des Marktplatzes hat sich in den letzten paar Jahrhunderten kaum verändert, versicherte uns Frau Hungershausen. Sie machte uns auf zwei dunkle Renaissance-Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufmerksam. Das eine mit einem muschel-geschmückten Dach. Das daneben ist von historischem Interesse – das Wallenstein-Haus:  Dort soll Albrecht von Wallenstein während seiner Studentenzeit gewohnt haben. Er studierte 1599/1600 ein Semester an der hiesigen Akademie.

Der Eingang zur Laurentius-Kirche befindet sich nicht direkt am Marktplatz, sondern wird über einen Seitenweg erreicht.  Am Giebel über dem Eingang die Wappen von Nürnberg, Altdorf und von sechs Patrizierfamilien. Die Jahreszahl 1753 bezeichnet das Jahr, in dem die Kirche vergrößert und von Grund auf umgestaltet wurde, damit auch die Studenten und die übrigen Angehörigen der Universität Platz fanden.

In der Sankt Laurentius-Kirche

Endlich betraten wir das angenehm kühle Kircheninnere. Wir setzten uns in die Bankreihen und Frau Hungershausen erzählte uns einiges zur Geschichte von Altdorf und seiner Universität.

Wappen über dem Kirchenportel Taufbecken aus Bauderschem Marmor
Wappen über dem Portal der Laurentius-Kirche Taufbecken aus Bauderschem Marmor

Doch zunächst beschrieb sie uns die Innenausstattung der Kirche und ihre Entstehung.

Die Geschichte der Kirche

Der heutige Innenausbau der Kirche geht auf umfangreiche Renovierungen in den Jahren 1752 – 1755 zurück, Sie erhielt ein neues Langhaus. Von der alten Kirche blieben nur der gotische  Chor und das Untergeschoss des Turmes erhalten, außerdem die Türen und drei Statuen: Petrus, Christus in der Rast und Laurentius, der Schutzheilige der Kirche.

Der Umbau war notwendig geworden, um den Studenten und dem übrigen Universitätspersonal nebst Anhang ausreichend Platz zu bieten. Nach dem Ausbau konnte die Kirche, wenn man die ausziehbaren Notsitze einbezog, rund 1000 Gottesdienstbesucher aufnehmen.

Die Stuckdecke stammt von einem italienischen Künstler. Über den beiden Seiten des Langschiffs erheben sich Emporen und Logen.

Die rechte Empore (vom Eingang her gesehen) wird von einem Baldachin mit Adler überdacht Hier nahm der Rektor der Universität Platz. Unter der Empore ist ein Wappenschild angebracht mit den Wappen von Patrizierfamilien, die für den Umbau der  Kirche und die Universität gespendet haben.

Der Landpfleger der Stadt Nürnberg, der mächtigste Mann am Ort,  nahm in einer Loge mit eigenem Eingang Platz. Fand er die Predigt zu tröge, konnte er sich unbemerkt vom Acker machen.

Die zwei Logen zu beiden Seiten des Langschiffes – verglaste Kästen, die sogenannten Omnibusse – waren den Angehörigen des Landpflegers und den Professorengattinnen vorbehalten. So bildete sich die lokale Hierarchie eins zu eins auch in der Kirche ab. Im Winter froren die hochwohlgeborenen Gläubigen nicht wie das gemeine Volk. Denn in den Logen war Platz für Öfchen.

Die Studenten saßen übrigens auf einfachen kleinen Sitzen ohne Lehne unter den Emporen zu beiden Seiten des Langschiffs, die uns Frau Hungershausen auch zeigte.

Altdorf gehörte zu Nürnberg und war daher von Beginn der Reformation an protestantisch. Kirche und evangelisch-theologische Fakultät der Universität bildeten eine Einheit. Der Dekan der theologischen Fakultät war in Personalunion Rektor der Universität und Stadtpfarrer. Dies erklärt die Strahlkraft der Kirche weit über die damaligen politischen Grenzen hinaus – ein Leuchtturm des Protestantismus. Altdorf hat ganz Bayern mit evangelischen Pfarrern versorgt. In der Kirche wurden über die Jahre hin 1200 evangelische Pfarrer eingesegnet. Und 1734 fand hier die erste Konfirmation in Bayern statt – 70 Jahre vor Nürnberg.

Die theologische Fakultät  war Ausgangspunkt verschiedener geistiger Strömungen und machte sich – wie die Kirche - einen überregionalen Namen. Das Recht, die Doktorwürde zu verleihen, erhielt die Fakultät jedoch erst recht spät, in 1696. Denn sie war ja protestantisch und der Kaiser – nur er konnte dieses Recht verleihen – war katholisch.

Wie kam Altdorf – nicht gerade zur Universitätsstadt prädestiniert – eigentlich zu seiner Uni? Frau Hungershausen nahm uns mit auf einen Ausflug in die Geschichte Altdorfs.

Die Geschichte Altdorfs und seiner Universität

Altdorf geht, wie beispielsweise auch Fürth, auf einen fränkischen Königshof aus dem achten Jahrhundert zurück. Durch Kriege, Schenkungen, Verkäufe  und Verpfändungen wechselte der Ort im Mittelalter häufig den Besitzer. 1360 ging Altdorf an den  Burggrafen Albrecht zu Nürnberg.

Dessen Frau, Sophia von Henneberg, hat Altdorf in ihr Herz geschlossen. Sie stiftete den ewigen Wochenmarkt und sechs Jahrmärkte: Ostern, Pfingsten, Kirchweih, Martini, Thomastag, Weihnachten, Lichtmess – ich denk‘, die sind‘s. So wurde ihr Wappen, die Henneberger Henne, in Altdorf populär. In der Kirche ist es auch zu sehen.

Ihr Schwiegersohn, Svantibor von Pommern hat 1387 Altdorf zur Stadt erhoben und ihr gestattet, sich durch Graben und Mauern zu sichern. In diesem Zusammenhang soll von ihm der scharfsinnige Ausspruch stammen: „Je besser Sie ihn bauen, desto besser haben Sie ihn.“

Die Reformation wurde zeitnah zu Nürnberg, 1525, eingeführt. Im zweiten Marktgrafenkrieg, Mitte des 16. Jahrhunderts, wurde Altdorf niedergebrannt – zunächst eine Katastrophe, die aber eine langfristig positive Entwicklung anstieß.

Denn um der Stadt wieder auf die Beine zu helfen, verlegten die Nürnberger einige Jahre später ihr Gymnasium nach Altdorf. Zur Wahl stand auch Hersbruck, das aber den Kürzeren zog. Die Nürnberger Stadtväter waren besorgt, dass die Gymnasiasten – lauter Nichtschwimmer – in der Pegnitz ertrinken könnten. Das Gymnasium machte sukzessiver Karriere: Über die Akademie (1578) wurde die Einrichtung 1622 zur Universität erhoben.

Der berühmteste Student war Gottfried Wilhelm Leibniz, der hier in 1666 promovierte.

Die Universität umfasste die vier klassischen Fakultäten Theologie, Jura, Medizin und Philosophie. Die Farbe der Kleidung der Professoren gab Aufschluss über ihre Fakultätszugehörigkeit. Der Volksmund legte den Farben hintersinnige Bedeutungen bei.

Die Mediziner waren grün gewandet, denn ihre Fehler landeten unter dem grünen Rasen. Die roten Roben der Juristen standen für das Blut, das beim Köpfen von Übeltätern spritzte. Die blau gekleideten Philosophen logen das Blaue vom Himmel. Und die Theologen trugen schwarz. Denn weiß wäre ja die Farbe der Unschuld gewesen …

Nach dem Anschluss Frankens an Bayern war es mit der Herrlichkeit vorbei. 1809 wurde die Universität vom bayrischen König aufgelöst. Aber sie war so wie so schon im Niedergang begriffen – einfach nicht mehr hipp. Gute Leute gingen nach halle oder Leipzig. Über die Jahre hatten rund 20,000 Studenten die Universität besucht. Einige kamen von weit her – Osteuropa, sogar Ägypten.

Wieder Pech gehabt. Aber wenn Altdorf fällt, fällt es immer auf die Füße. Als Entschädigung erhielt der Ort 1824 das Königliche Schullehrer-Seminar. Die Altdorfer Familien waren darüber nach Aussage von Frau Hungershausen nicht unglücklich. Denn angehende Lehrer waren im heiratsfähigen Alter und für Bürger- und Bauerntöchter eine bessere Partie als Studenten mit ungewisser beruflicher Zukunft.

1924 ging auch diese Ära zu ende. Ein Jahr später bezogen die Rummelsberger Anstalten die Universitätsgebäude und nutzten sie als Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsstätte für behinderte Jugendliche. Damals wurden Werkstätten für Buchbinder, Bürstenmacher, Korbflechter, Schneider eingerichtet, um Behinderte in Lohn und Brot zu bringen. Diese Entwicklung schloss an die Sozialarbeit von Pfarrer Löhe an.

Heute ist es ein Förderzentrum für körperbehinderte junge Menschen. Zeitgemäße Berufsbilder aus der IT-Branche haben die alten handwerksberufe ersetzt.

Einen guten Überblick über die wesentlichen Baudenkmäler nebst Lageplan bietet diese Website.

Der Taufstein - Bauderscher Marmor

Vor dem Verlassen der Kirche besichtigten wir noch den Taufstein aus sogenanntem Bauderschen Marmor, eine Stiftung des Bürgermeisters Johann Friedrich Bauder aus dem Jahr 1754. Dieser Bürgermeister war auch ein cleverer Geschäftsmann. Er erkannte den Wert des rund 40 Millionen Jahre alten Juragesteins in der näheren Umgebung, das reich an fossilen Einschlüssen war und ließ es abbauen und Stücke mit hervorstechenden Versteinerungen zu attraktiven Kunstwerken schleifen, die er an Fürstenhöfe und wohlhabende Bürger verkaufte.

Er stand in Kontakt mit Goethe, der sich für die Versteinerungen interessierte und dem er hin und wieder Stücke zukommen ließ. Über einen deal mit einem versteinerten Krokodilskopf kam es aber zum Knatsch. Zunächst sollte Goethe das edle Stück bekommen. Dann schaltete sich der Pharmazeut Merck ein. Mit dem Versprechen, sofort zu zahlen, stach er den Dichterfürsten aus, worüber dieser äußerst verschnupft war.

Der Taufstein lässt die Konturen der Versteinerungen - Muscheln, Ammoniten, Belemniten – kontrastreich hervortreten wie filigrane Ornamente– allerdings nicht zu erfühlen. Der Stein ist ja glatt geschliffen. Im Vergleich zu anderen Fundstücken nach Meinung von Frau Hungershausen nur von mittlerer Qualität. Die wirklich tollen Stücke gingen für Bares über den Tresen. Den Taufstein stiftete Bauder nicht ohne Hintergedanken. Er war als Werbeträger gedacht. Auch damals verstand man schon die Bedeutung von Marketing.

Bei Erdarbeiten kommen solche Fossilien auch heute noch zu Tage. Gute Stücke erzielen satte Preise. Schöne Platten vom Format 70 x 50 Zentimeter wechseln für 20 bis 30 Tausend Euro den Besitzer. Wer die Fundorte kennt und selber zum Hammer greift, kommt billiger an die guten Stücke.

Beim Verlassen der Kirche machte uns Frau Hungershausen noch auf ausziehbare Notsitze aufmerksam – Brettchen, die man aus Sitzreihen rausziehen kann, wenn die Kirche proppevoll ist, zum Beispiel an Weihnachten oder Ostern.

Und einen Schwank aus der jüngeren Kirchengeschichte gab sie auch zum Besten. Mitte des letzten Jahrhunderts hatte ein Pfarrer die Angewohnheit, den vollen Klingelbeutel auf dem Altar abzulegen. Ein cleverer Dieb machte sich dies zunutze. Er fuhr mit dem Fahrrad durch den Mittelgang der Kirche zum Altar, schnappte sich den Beutel und radelte flugs davon.

Die Geschichtsstunde war beendet. Es ging wieder hinaus in die glühende Mittagshitze.

 

Zum Universitätsmuseum und  Doktorsgärtlein

Wir überquerten den Oberen Markt und blieben vor einer Bäckerei stehen. Von dort hatten wir nochmals einen Blick auf die Kirche und auf den Gasthof zur Sonne, dahinter ein großer grauer Bau, früher eine Studentenkneipe, die auch das Braurecht hatte. In Altdorf gab es 97 Brauereien. In der Gegend wurde auch Hopfen angebaut wie heute in der Holledau. Irgendwann hätten die Bauern die Hopfenstangen erneuern müssen und das rechnete sich nicht, wie uns Frau Hungershausen erklärte. Also gab man Hopfenanbau und Bierbrauerei auf.

ein metallener Knauf, knapp über dem Gehsteig Häuserzeile gegenüber von Sankt Laurentius
Der Höhenmesspunkt von Altdorf
am Oberen Markt
Häuserreihe gegenüber der Sankt Laurentius-Kirche
Oberer Turm Oberes Tor
Turm der Sankt Laurentius-Kirche (48Meter hoch, derzeit nicht begehbar) Oberes Stadttor

Wir schlenderten den Oberen Markt hoch – Richtung Oberes Tor, bogen ab und zu in Seitengassen ein, wo uns Frau Hungershausen die dort befindlichen Baudenkmäler erläuterte. So konnte man’s aushalten.

Das Gasthaus zur Sonne war ursprünglich Pfarrhaus. In dem Haus wohnte die Familie des Theologie-Professors Dietlmaier. Als der starb, heiratete seine Witwe einen anderen Theologen. Nachdem der auch dem Tod den Vorzug vor der ehe gegeben hatte, hatte die zweifache Witwe genug von den schwächlichen Theologen und wandelte das Pfarrhaus kurzerhand in eine Weinstube um.

Der Markt wird zu beiden Seiten durch Tore abgeschlossen. In unserer Gehrichtung kam das Obere Tor in Sicht mit seinem Turm. Dazu gibt es ein Gegenstück, das Untere Tor auf der entgegengesetzten Seite des Marktes und noch ein weiteres Tor in der Stadtmauer.

Zunächst bogen wir aber in eine Unterführung ab mit einem Schaukasten. Hier sind Skizzen ausgestellt, die das gesellschaftliche Leben an der Universität darstellen: eine Promotionsfeier zurzeit von Leibniz, die Verleihung der Doktorwürde, einen Fackelumzug. Und hinter dem Glas befindet sich auch ein Zett Elchen mit Jahreszahlen. Das ist der Spickzettel von Frau Hungershausen. Jetzt reichte sie uns die Jahreszahlen zu den Ereignissen nach, über die sie vorher in der Kirche berichtet hatte. Sehr sinnvoll! Warum sollte sie sich auch all diese tumben Zahlen merken?

Zurück zum Oberen Markt. Wir näherten uns dem Oberen Tor mit seinem mächtigen Turm, an den sich ein Rest der Stadtmauer mit Wehrgang anschließt. Er bildete den westlichen Eingang zur Stadt. Vor dem Stadttor zwei Weiher: der Waschweiher und der Rossweiher. In letzteren sind ganze Pferdegespanne reingefahren. Die Rösser wurden gewaschen. Die Radspeichen haben sich mit Wasser vollgesogen. Dadurch wurde die Verbindung mit Felge und Achse wieder fest. Alle Achtung. Die altvorderen hatten das alles recht praktisch arrangiert.

Einer der beiden Weiher sollte in den 1970er Jahren zugeschüttet werden – als Parkplatz für die Feuerwehr. Das wurde von den Bürgern verhindert. Die Bürger nahmen aktiven Anteil am Erhalt des historischen Stadtkerns.

Das Untere Tor sollte im 18. Oder 19. Jahrhundert abgerissen werden. Der Braumeister Auer hat es der Stadt für 5000 Goldmark abgekauft und als Hopfendörre genutzt. Später wurde es von der Stadt wieder zurückgekauft. So wurde das Untere Tor gerettet.

Wir kehrten um und bogen in eine Seitenstraße ein. Nach einigen Minuten erreichten wir das sogenannte Pflegamtsschloss. Das war der Amtssitz des Landpflegers, des Vertreters des Nürnberger Stadtrats. Als solcher war er höchster Würdenträger im mittelalterlichen Altdorf. Später diente der Bau als Amtsgericht, dann als Rentamt; in der Nazizeit als NS-Schulungsstätte für SA und SS; nach dem Krieg zuerst Landratsamt; jetzt Sitz der Polizeibehörde,

Vor dem Pflegamtsschloss steht der Wallensteinbrunnen der vom Altdorfer Bildhauer Ludwig Manz in 1985 geschaffen wurde. Die Skulptur stellt den jungen Wallenstein dar.

Pflegamtsschloss unsere ganze Gruppe vor dem Museum
Rathaus Frau Hungershausen knipste unsere Gruppe am Eingang zum Museum.

Von hier ist auch der Feilturm zu sehen, links vom Oberen Turm.

Dann sollten wir uns umdrehen. An der Straßenseite gegenüber lagen drei markante Bauwerke: in der Mitte ein gelbes Haus, die ehemalige Universitätsdruckerei, heute Universitätsmuseum. Links davon die Posthalterei, die Endstation des Kästleinswagen, der zu Zeiten der Universität Akten zwischen Nürnberg und Altdorf beförderte. Und rechts die Uni-Apotheke, ein Fachwerkhaus.

Im Museum und Doktorsgärtlein

Im Museum war’s wieder angenehm frisch. Nachdem wir alle drin waren, schloss Frau Hungershausen die Tür ab, um das Eindringen ungebetener Besucher zu verhindern.

das Universitätsmuseum, aufgenommen vom gegenüberliegenden Gehweg ein Ritter in voller Rüstung
Sschlossplatz und Nebengebäude des Schlossees Ein Professor in standesgemäßer Tracht begrüßt die Besucher.

Knapp hinter der Tür wird der Besucher von einem Professor der Philosophischen Fakultät (blaues Gewand!) begrüßt.

In Vitrinen sind alte Dokumente und Grafiken zu sehen: ein alter Stundenplan der Vorlesungen, Bilder vom bürgerlichen und universitären Altdorf. Aus diesen Bildern geht auch hervor, dass der Universitätskomplex zu Beginn aus nur zwei Flügeln bestand. Der dritte kam später hinzu.

die Grafik zeigt den Plan des mittelalterlichen Altdorf Grafik - Stadtanssicht
die Grafiken zeigen das mittelalterliche Stadtbild.

Durch die rückwärtige Tür gelangten wir in den Garten – das Doktorsgärtlein. Beim Rausgehen sieht man wieder ein Stück der alten Stadtmauer. Der ursprüngliche Hortus Medicus der Universität war viel größer. Hier wuchsen Arzneipflanzen aus aller Welt. Sein Nachfolger wurde Ende der 90er Jahre angelegt. 300 Pflanzen wurden nach alten Katalogen ausgewählt und nachgezüchtet. Neben den Arzneipflanzen finden sich hier auch viele Duftpflanzen. Vor allem bei Kindern beliebt ist die Schokoladeblume. Die Kids nennen sie Gummibärchenblume. Jedes Pflänzchen besitzt eine Visitenkarte in Form eines Schildchens, womit die meisten von uns natürlich wenig anfangen konnten. Aber dafür hatten wir ja Frau Hungershausen, die eine ganze Reihe Pflanzen aufzählte. Merken konnt‘ ich mir nur die wenigsten: die Alraune – jedem Harry Potter-Leser bekannt: Leinkraut, Wiesensalbei, Digitalis.

unsere Gruppe im Garten im Garten
am Eingang zum Garten im Garten; hinten ein Teil der alten Stadtmauer
im Gaqrten unsere Gruppe im Garten
Was mag das wohl sein? Rückseite des Museums

Die Glockenblume ersparte in früheren Zeiten den Scheidungsanwalt. Hausfrauen setzten sie dem Wasser zu, in dem sie die Unterwäsche ihrer ungeliebten Ehemänner wuschen. Das starke Gift der Pflanze drang durch die Haut und verrichtete verlässlich sein Werk.

Eindrücke vom Doktorsgärtlein
Pflanzen Pflanzen
Pflanzen Blick in den Garten - Sitzbank, Baum

Ein hübscher kleiner Garten. Die Anpflanzungen werden aufgelockert durch Versteinerungen. Antje gefiel eine kleine Statue des Franz von Assisi, die auch von Ludwig Manz stammt, dem Schöpfer des Wallensteinbrunnens.

Franziskus-Statue von Ludwig Mantz Rückseite des Museums
die kleine Statue des Franziskus von Assissi von Ludwig Mantz Blick auf die Rückseite des Museums

Dann schauten wir uns nochmals im Museum um. Eine Fossiliensammlung durfte hier auch nicht fehlen. In einem Raum ist ein großer Renaissance-Schrank zu besichtigen, der aus der Wohnung Wallensteins stammen soll. Die Schranktür ist mit einem zweiköpfigen Reichsadler verziert.

Wallensteins Schrank der Doppeladler auf einer Schranktür
Schrank aus Wallensteins Sudentenbude zweiköpfiger Adler - Ornament auf einer Schranktür

 

Die alte Universität

Unsere letzte Station war das Gebäude der alten Universität, das vom Museum nur wenige Hundert Meter entfernt liegt. Die mussten wir uns ansehen. Darauf bestand unsere Guide trotz der Hitze. Ein Glück, dass die mittelalterlichen Städte so kompakt gebaut wurden. Von Denkmal zu Denkmal sind es immer nur wenige Minuten.

In der Unterführung zum Innenhof steht ein Rolli, vermutlich einer der ersten seiner Art. Den hat ein Uhrmacher für seinen gehbehinderten Sohn gebaut. Er wurde natürlich mit Muskelkraft bewegt, die in einer Kaskade von Zahnrädern auf eine der Radachsen übertragen wurde. Denn Uhrmacher denken immer in Zahnrädern. Fälschlicherweise wird dieses Teil auch als Vorläufer des Autos betrachtet, wie uns Frau Hungershausen informierte.

Im Innenhof suchten wir uns wieder ein schattiges Plätzchen und ließen erst mal das imposante Bauwerk auf uns wirken.

Innenhof der Universität mit dem Pallas Athene Brunnen unsere Gruppe im Innenhof
der Innenhof des Universitäts-komplexes mit Pallas-Athene-Brunnen unsere Gruppe auf
historischem Pflaster

Der Gebäudekomplex besteht aus drei Flügeln, zunächst waren es zwei. Der dritte kam später hinzu und noch später das Tor, wodurch ein geschlossenes Areal entstand – angelehnt an die Bauweise englischer Universitäten. Die Größe der Anlage, die aus einem Guss ist, verrät, dass von vornherein die Absicht bestand, hier eine Universität zu errichten.

In der Mitte des Innenhofs ein heute trockengelegter Brunnen, der Pallas Athene Brunnen.

Frau Hungershausen machte uns auch darauf aufmerksam, dass wir auf historischem denkmalgeschütztem Pflaster stehen, über das schon Wallenstein gelaufen ist.

Einer der Flügel trägt einen Turm – von der Einfahrt aus gesehen hinten rechts. Er darf zurzeit aber nicht betreten werden, da die Treppe baufällig ist.

Die oberen Fenster im Türm sind vergittert. Das war der Karzer für Studenten, die ihre Schulden nicht bezahlen wollten oder konnten oder die Bücher aus der Bibliothek geklaut hatten. Es gab noch zwei weitere Kerker: den sogenannten Stumpfen im Dachgeschoss. In dem landeten betrunkene Studenten. Und der andere war für renitentes Küchenpersonal reserviert.

Das Chemielabor war – sicher ist sicher – in einen separaten Bau an der Stadtmauer ausgelagert. Da gab es auch einen Kerker – für ungezogene Famuli. Jeder Student hatte einen Famulus für die groben Arbeiten – Feuer machen unter den Glaskolben, die Gerätschaften putzen und so weiter. Und wenn der nicht spurte, wurde er auch in den Knast gesteckt – raue Zeiten!

Im Dachgeschoss des Mittelbaus lag der Zwölf-Knaben-Boden. Nürnberg war für damalige Zeiten schon recht sozial orientiert und hat zwölf Jungen aus sozial schwachen Familien auf öffentliche Kosten das Studium ermöglicht. Selbst diese brauchten sich nicht um die  „niedrigen“ Arbeiten zu kümmern. Sie erhielten eine „akademische Bettenmacherin“.

Im Stockwerk darunter befanden sich die Apartments der Patriziersöhne. Und nochmals einen Stock tiefer lagen die Bibliotheksräume. Die noch erhaltenen Bücher werden heute nach und nach ins Internet eingestellt. Entsprechende Gelder stehen zur Verfügung.

Heute dient das Gebäude als Wohn- und Ausbildungsstätte für Kids mit Behinderungen verschiedenster Art, zum Beispiel Rolli-Fahrer oder Menschen mit Atemwegserkrankungen, die ständig beatmet werden müssen. Es handelt sich also um ein Internat. Die rund 250 Jugendlichen leben in Wohngruppen.

Die körperbehinderten Schüler können unter vielen Schulformen wählen. Im Leibniz-Gymnasium - einem staatlichem Gymnasium, das behindertengerecht ausgestattet ist - können sie das reguläre Abitur machen. Es handelt sich um eines der größten Gymnasien in Bayern, das auch von den „normalen“ Altdorfer Jugendlichen besucht wird – eine voll integrative Musterschule.

In der warmen Jahreszeit wird der Innenhof auch für Konzerte genutzt. Und im Dezember findet hier der Altdorfer Weihnachtsmarkt statt.

 

Zum Abschluss im Roten Ross

Damit war die Führung zu Ende. Frau Hungershausen fragte uns, was wir anschließend unternehmen wollten – natürlich was trinken und auch einen Happen essen. Sie empfahl uns das Rote Ross gegenüber der Laurentius-Kirche. Die Tische vor dem Restaurant waren überdacht. Frau Hungershausen erklärte uns noch den Weg zum Bahnhof. Dann verabschiedete sie sich. Sie war ein wenig in Eile. Ihr nächster Tagesordnungspunkt war ein Kindergeburtstag.

unsere Gruppe vor dem Roten Ross Gruppe sitzt im Bistro vor dem Roten Ross
vor dem Roten Ross Wir lassen's uns gut gehen.

Dieter meinte, erst bräuchte er mal ein Bier. Wir bestellten die Getränke und Anne las uns die Speisekarte vor. Leckere Gerichte – auch gastronomisch war der Ausflug ein Erfolg.

Eisbecher in Großaufnahme

 

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert..

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